Solfeggieren / Solmisation
Eine Solfeggie (it. solfeggio, Plural solfeggi) ist ein Übungsstück in der Lehre und Praxis des Gesangs, bei dem
- einzelne Töne syllabisch auf die entsprechende Solmisations-Silbe (s.u.) gesungen werden,
oder
- Tonfolgen melismatisch (d.h. mehrere Noten/Töne pro Vokal, wie bei "Glo-o-o-o-o-o-o-o-o-o...ri-a") auf einzelne Solmisations-Silben gesungen, "solfeggiert", werden.
Solmisation (von lat.
solmisatio oder
solmizatio; auch:
solmifatio,
solfatio,
solfisatio,
solfasatio,
solfatura) bezeichnet die auf Guido von Arezzo (um das Jahr 1000 n. Chr.) zurückgehende Methode, zur Einstudierung eines Gesangs und zur Stimmbildung alle Tonstufen auf Silben zu singen. Diese Methode wurde für das europäische Mittelalter verbindlich, u.a. durch die Guidonische Hand, einer Merkhilfe, bei der jedem Fingerglied eine Tonstufe zugeordnet ist.
Vermutlich im 13. Jh. begann man, das Verfahren eigens zu benennen, und sprach u. a. von
solfatio, abgeleitet von den Tonsilben
sol und
fa. Gegen Ende des 15. Jh. ist dann die mittellateinische Wortbildung solmisatio/solmizatio belegbar, abgeleitet von den Tonsilben
sol und
mi. Heute wird zwischen der
„relativen“ und der „absoluten“ Solmisation unterschieden. Und das kam so:
Fast 600 Jahre lang bezeichneten die guidonischen Silben keine festen Tonhöhen, sondern bestimmte Orte im Tonsystem, nach heutigem Sprachgebrauch: „relative“ Tonhöhen. Um 1600 allerdings begannen französische Musiker, die Silben auf feste Tonhöhen anzuwenden –
ut entsprach dem c,
re dem d etc. Um die Tonstufen der diatonischen Leiter zu komplettieren, benannten sie die siebte Stufe
si.
Ab Mitte des 17. Jh. wurde die eher unsangliche Silbe
ut allmählich durch
do ersetzt – die (C-)Dur-Tonleiter aufwärts hieß nun also
do, re, mi, fa, sol, la, si, do.
Die Zweiteilung in eine ältere „relative“ und eine jüngere „absolute“ Tradition blieb bestehen; die Einbeziehung chromatischer Tonstufen führte in den beiden Systemen zu unterschiedlichen Konsequenzen.
Im deutschsprachigen Raum machten im 20. Jh. nacheinander zwei komplexere Konzepte Karriere (obgleich der einflussreiche Fritz Jöde die relative Solmisation propagierte): das „absolute“ Tonwort von Carl Eitz und Jale, ein „relatives“ System von Richard Münnich. Gegen Ende des 20. Jh. begann sich in der Musikpädagogik eine neue Blüte der relativen Solmisation abzuzeichnen.